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Der Elchengel - 17. Türchen

Linnys Kleid wurde immer bunter. An jedem neuen Morgen fand sie einen neuen Stern darauf.

Heute war es ein blauer.

Auf dem Tisch lagen nur noch fünf Briefe.

Linny entschied sich für den Umschlag, der "Fülle und Wohlstand" beinhaltete.

Der Elch stoppte vor einem Bürogebäude.

Hoch oben im 10. Stock stand ein Fenster offen, und Linny kletterte auf einen Querbalken, um hineinsehen zu können.

Hier bekam gerade ein junger Mann seine Kündigung. Ziemlich fassungslos betrachtete er seinen Chef, der damit vor seinem Gesicht herumwedelte.

In diesem Augenblick warf Linny den Umschlag.

Er landete zwischen dem jungen Angestellten und seinem Chef auf dem Boden. Beide bückten sich danach, aber der junge Mann war schneller.

Er öffnete den Brief, las ihn und verschloss ihn wieder.

"Wissen Sie, Chef - Sie tun mir einen Gefallen. Danke dafür. Ich habe mich hier nie so wirklich wohl gefühlt in Ihrer Firma. Ich weiß, was ich kann, und ich denke, das wissen auch Sie, aber Sie sind nicht in der Lage, die Leistung Ihrer Mitarbeiter wertzuschätzen. Ich suche mir nun etwas anderes, etwas, das mich erfüllt, was mir Freude macht, wo ich mich mit meinen Talenten und meiner Art zu arbeiten gut einbringen kann.

Leben Sie wohl - und dies hier möchte ich Ihnen noch geben".

Damit überreichte der junge Mann seinem verblüfften Gegenüber den Umschlag, nahm die Kündigung entgegen und verließ das Büro.

Der Chef runzelte die Stirn und las sich durch, was da auf dem Zettel im Umschlag geschrieben stand.

Merkwürdig. Er fühlte sich auf einmal unwohl.

Es tat ihm leid, dass er den Jüngeren hatte gehen lassen.

Und er fühlte, wie ihn wieder einmal die Verantwortung drückte. Nun würde er wieder einen neuen Mitarbeiter suchen müssen. Er hatte schon so wenig Zeit. Er steckte seine ganze Zeit in seine Firma und wurde immer unzufriedener.

Und plötzlich durchfuhr ihn ein Geistesblitz.

Er würde von nun an weniger arbeiten. er würde sein ganzes Konzept neu überdenken. Er würde seine Angestellten an der Firma teilhaben lassen, ihnen mehr Verantwortung und Selbständigkeit übertragen. Ganz sicher wären dann auch sie zufriedener. Alle konnten davon profitieren, mit Sicherheit auch die Umsätze.

Warum war er da nicht schon viel eher drauf gekommen?

Es war noch nicht zu spät.

Fröhlich pfeifend hob er den Telefonhörer ab und bat seine Sekretärin darum, einen Aushang zu machen, dass er eine außerordentliche Betriebsversammlung in einer Woche anberaume.

Dann sagte er: "Janett, das war´s für heute. Ich fahre jetzt nach Hause. Meine Frau hat mich lange genug zu selten gesehen. Nehmen Sie sich doch auch bitte für heute Nachmittag frei. Ach, und bitte erinnern Sie mich daran, dass wir dringend über eine Gehaltsaufstockung für Sie nachdenken müssen"

Die Sekretärin am anderen Ende der Leitung schüttelte den Kopf und glaubte sich verhört zu haben. Das war wirklich noch nie vorgekommen.

Dann sah sie auch noch einen Elch mit einem Kind auf dem Rücken an ihrem Fenster vorbeifliegen. Du lieber Himmel, was war nur los mit ihr?

Hatte sie schon Halluzinationen?

Schnell machte sie den Aushang fertig, dann legte sie den roten Lippenstift an und hatte vor, diesen freien Nachmittag in vollen Zügen zu genießen.

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