Der Elchengel - 20. Türchen
Zwei Briefe waren nur noch übrig.
Linny stand vor beiden und wägte ab, welchen sie heute werfen würde.
Sie entschied sich für die "Liebe". Und schon ging es los.
An einem Waldrand stoppte der Elch und forderte Linny auf, mit ihm hinter den Bäumen zu warten.
Eine Frau kam über die verschneiten Felder gelaufen.
Sie hatte ein schwere Zeit hinter sich. Eine Zeit voller Verluste, vieler Sorgen und schwerer Gedanken.
Doch so langsam fühlte sie sich besser.
Hinten am Waldrand standen ein paar Rehe und schauten aufmerksam zu ihr hinüber.
Mira freute sich. Was für schöne Tiere.
Als sie weiter ging, fand sie einen glitzernd roten Briefumschlag im Schnee liegen. Sie sah sich um. Für wen war der wohl? Niemand weit und breit zu sehen, also öffnete sie ihn und las die Botschaft.
Wärme breitete sich in ihr aus.
Gerade hörte sie noch einen Vogel singen zum Abschluss des Tages, und sie nahm wahr, wie die Sonne glutrot versank.
Dann hörte sie ein kehliges Krächzen und ein großer Rabe kam angeflogen und landete im Schnee.
Dieser hier war nicht so scheu, wie sie vermutet hatte.
Er kam ein paar Schritte auf sie zu und sah ihr in die Augen.
Mira war, als spräche das Tier zu ihr. >Du bist gehalten und geliebt<.
Dann erhob er sich und flog davon.
Auch die Rehe verschwanden im Wald.
Eine große Ruhe breitete sich aus. Auch in Mira selbst.
Sie nahm wahr, dass sie sich tatsächlich wohl fühlte, und dass sie die Botschaft des Vogels verstanden hatte. Und dann noch der Brief. Ein Schauer überlief sie.
Tatsächlich hatte sie das erste Mal seit langer Zeit so ein Gefühl, dass alles gut war, und dass alles, was geschehen war, genau so sein musste, damit sie heute hier so fühlen konnte.
Dann hörte sie am Klicken ihres Handys, dass sie eine Nachricht erhalten hatte.
"Liebe Mira", las sie da, "Ich weiß nicht, was du für Pläne für das neue Jahr hast, aber ich würde mich freuen, wenn wir Zeit miteinander verbringen könnten. Ich fasse mir heute ein Herz, um dich anzusprechen, weil ich so ein Gefühl habe, dich schon zu kennen. Ich bin der, mit dem du neulich beim Geburtstag deiner Schwester auf dem Flur zusammengestoßen bist. Leider bist du sehr früh an dem Abend gegangen, so dass ich mich gar nicht mehr vorstellen konnte. Mein Name ist Paul, und deine Schwester war so freundlich, mir deine Nummer zu geben. Melde dich, wann immer du willst. Ich freue mich und bin mir sicher, dass wir einander viel zu erzählen haben. Paul".
Natürlich. Dieser Mann neulich auf der Party. Ganz kurz hatten seine Augen sie gestreift, und auch sie hatte so etwas wie ein Erkennen gefühlt, obwohl sie ihn noch nie vorher gesehen hatte.
Dieser Abend heute war schon sehr besonders, dachte Mira, während sie langsam den Heimweg antrat.
Dass sie plötzlich zwischen den Tannen einen Elch sah, wunderte sie schon gar nicht mehr. Neben ihm glitzerte etwas durch die schneebedeckten Zweige hindurch, und sie überlegte, was das wohl war, aber sie musste ja nicht alles verstehen.
Sie war sehr glücklich auf einmal.
Morgen würde sie ihre Wohnung aufräumen und sich einen kleinen Tannenbaum kaufen. Sie hatte auf einmal Lust, es sich schön zu machen.
