Frohe Ostern

Ich liebe es ja, wenn meine Freunde, die sich untereinander noch nicht kennen, sich irgendwann irgendwo auf einem Fest begegnen, sich miteinander bekannt machen, sich vernetzen, zarte Banden knüpfen und das Netzwerk so immer größer wird.
Freude vervielfältigt sich, wenn man sie teilt.
Sie strahlt aus und zieht andere mit in ihren Bann.
So ist es auch mit den Fantasie-Gestalten.
Kein Wunder also, dass Linny nun auch auf Spikey und Maroni (ihr erinnert euch vielleicht an die beiden?) getroffen ist.
Obwohl ja Linny eigentlich keine Fantasie-Gestalt ist – eher mein Alter Ego – mein inneres, unversehrtes Kind. Diese kleine Figur, die mir jeden Tag zeigt, wie schön die Welt ist, wenn man mit offenen Augen durch sie wandelt.
Linny, die sich berühren lässt, da wo ich manchmal noch hart bin.
Die Tränen weint, wo ich noch um Fassung ringe.
Die lacht, wenn ich mir Freude (noch) nicht gestatte.
Die einfach den Funktionier-Modus nicht kennt und barfuß über Wiesen läuft, wie ich sie leider nicht überall vor der Haustür habe.
Doch es gibt diesen Ort der Zufriedenheit, der Glückseligkeit tief in mir und ich kann ihn jederzeit heraufbeschwören, wenn ich Stift und Pinsel zur Hand nehme.
An diesem Ort summen die Bienen, schwirren die Libellen und sammeln sich die Vögel im Schwarm.
Dass Linny die Sprache der Tiere versteht, ist kein Wunder sondern reine Herzensintelligenz.
Sie sieht und fühlt und hat das Staunen noch ganz in sich.
Jeder Moment dehnt sich und beschenkt sie mit neuen Erfahrungen.
Wenn sie sich mutig in ein neues Abenteuer wirft, weiß sie, dass sie gehalten ist – und wenn ich das nicht spüre, weil der Verstand eine eigene Geschichte erzählt, so ist sie noch völlig frei davon.
In ihrem Kosmos gibt es kein Wertesystem. Der Panther ist nicht besser oder beeindruckender als die Ameise – nur anders. Aufregend, ihnen zuzusehen: diese Anmut und Eleganz auf der einen Seite – und die unermüdliche Emsigkeit, Organisation und Kraft auf der anderen Seite.
Sie erlebt keine Trennung, sondern ist mit allem vereint. Sie hat keinen Plan, und genau deshalb gibt es nichts zu erreichen. Zuversichtlich ist sie einfach auf ihrem Weg.
Eine wirkliche Gefahr gibt es nicht. Denn niemand fühlt sich von ihr bedroht. Sie ist ja nur ein kleines Strich-Figürchen – vielleicht nimmt man kaum Notiz von ihr oder belächelt sie ein wenig.
Ihre Naivität ist eines der Eigenschaften, die ich in mein Erwachsenenleben hineinretten konnte.
Mir kann man sonst was erzählen – ich bin so gutgläubig und glaube immer, was man mir erzählt.
Früher habe ich mich dafür oft geschämt – dass ich da was nicht eher durchschaut habe, dass ich Leuten auf den Leim gegangen bin, dass ich Dahingesagtes für bahre Münze genommen habe und dass Worten ganz andere Taten folgten und mich enttäuscht zurückließen.
Die Tür zur Rumpelkammer meiner Gefühle habe ich dann schnell verschlossen und weniger von mir gezeigt – die anderen sollten meine Traurigkeit nicht sehen. Ich fühlte mich verletzt und kapselte mich ab. Ich machte die Tür nicht mehr auf. Oft war das wohl eher mehr defensives Verhalten als gesunder Selbstschutz, denn Isolation und Kontaktabbruch bringen nicht wirklich weiter.
Der Weg da raus, geht über das Verzeihen – vor allem auch das Verzeihen mir selbst gegenüber – dass ich eben fehlbar bin und mich manchmal unzureichend fühle.
Es ist gut so – wir führen kein perfektes Leben in einer perfekten Welt. Wir müssen uns mit Hindernissen und Schwierigkeiten abplagen. Aber ich kann meine innere Wahrnehmung schulen, meine Haltung ändern und nicht alles Alte übernehmen. Und bevor ich wegschaue, die Tür zumache oder versuche, einem Schmerz auszuweichen, kann ich hinsehen – kann ich wirklich hin fühlen.
Marianne Williamson schreibt in ihrem Buch >Das Geschenk der Wandlung< : „Ich glaube, wir vermeiden mehr als nur den Schmerz. Wir vermeiden auch die Hoffnungslosigkeit, die wir, so glauben wir jedenfalls, empfinden werden, wenn wir uns dem ganzen Ausmaß der Kräfte stellen, die uns blockieren. Doch in Wirklichkeit beginnen wir genau dann, wenn wir der Dunkelheit direkt ins Auge blicken – in uns selbst und in der Welt-, schließlich Licht zu sehen. Und das ist die Alchemie der persönlichen Transformation. Inmitten der tiefsten, dunkelsten Nacht, wenn wir uns am meisten gedemütigt fühlen, beginnt die schwache Silhouette unserer Flügel sichtbar zu werden.“
In einem solchen Lebensabschnitt habe ich zurückgefunden in die Malerei.
In einer tiefen Depression entstand ein eigener Blog, ich fing an zu zeichnen, und schließlich zeigte sich Linny. Und mit ihr kam die Hoffnung, die Freude und der Überlebenswille zurück in mein Leben.
Vor ein paar Tagen wollte ich ein bestimmtes Ziel erreicht haben. Es sollte unbedingt fertig sein, und ich habe mich total damit gestresst, meinen eigenen Ansprüchen zu genügen.
Niemand hat mich angetrieben – nur ich mich selbst.
Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass es meistens nicht die äußere Welt ist, die uns die größten Hindernisse in den Weg legt – sondern unsere Entscheidung dazu, wie wir damit umgehen.
Ich habe dieses mir gewählte Ziel nun nicht erreicht – und es ist nichts Schlimmes eingetreten.
Okay – es wird also noch dauern.
Ich räume die Steine aus dem Weg und tue es wie Linny.
Ich schau mir unterdessen die Ameisen an, die Kellerasseln, die darunter hausen und auseinanderlaufen. Ich bemerke meine Müdigkeit und gönne mir Pausen. Zeit ist nicht wirklich vorhanden – eigentlich steht das Ereignis schon fest – das Datum, den Eingangsstempel auf den Moment zu legen, ist dabei nur eine äußere Erscheinung, ein Strukturmoment – tatsächlich ist schon alles DA.
Ich erinnere mich daran, welches Fest wir gerade feiern.
Altes muss sterben, damit Neues geboren werden kann.
Durch die Überwindung der Angst offenbart sich die Liebe.
Ich wünsche euch allen wunderschöne Ostern.